Antizionismus ist nicht Antisemitismus

Von rt.com

Antizionismus ist nicht Antisemitismus. Heutzutage ist das schon fast eine radikale Aussage, da die deutsche Politik sich vollständig dem Druck des Zionismus gebeugt hat. Und das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere wichtige europäische Staaten.

von Zlatko Percinic

Bevor mit dem Artikel weitergemacht werden kann, muss zuerst noch die Definition der Bundesregierung von Antisemitismus aufgezeigt und anschließend jene des Zionismus gegenübergestellt werden. Laut Bundesregierung ist Antisemitismus, „die politisch, sozial, rassistisch oder religiös (Antijudaismus) grundierte Feindschaft gegenüber Juden.“

Antisemitismus und Zionismus sind keine klar definierten Begriffe

Grundsätzlich kann aber jeder Staat den Begriff „Antisemitismus“ so definieren, wie er es für richtig hält. Eine europäische Initiative für eine allgemein gültige Definition im EUMC (Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit), sowie in der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance), fand keine Unterstützung der jeweiligen Regierungen. Grundsätzlich haben aber alle offiziellen Definitionen eines gemeinsam: den Hass auf Juden, unabhängig davon ob man die Juden als Volk oder Glaubensgemeinschaft betrachten möchte.

Wie beim Antisemitismus gibt es auch bei der Definition von Zionismus keine allgemein gültige Fassung. Je nach politischer oder religiöser Strömung im Judentum, Zionismus und selbst in Israel gibt es unterschiedliche Definitionen. Da der Zionismus aber eine Ideologie ist, wie alle anderen mit der Endung -ismus, verwende ich hier die Definition der Zionistischen Weltorganisation (WZO):

Zionismus ist ein politischer und nationalistischer Handlungstyp, der das jüdische Volk und die  Kultur involviert. Die Mission der Bewegung ist die Wiederherstellung einer jüdischen Heimat im Land Israel, auch bekannt als Heiliges Land, Kanaan oder Palästina.“

Und was der Zionismus für ein Ziel verfolgt, nachdem das erste große Ziel, die Schaffung einer „Heimstätte für Juden“ in Palästina durch die Gründung des Staates Israel bereits vor 75 Jahren erfolgte, erklärt die WZO ebenfalls:

Die Zionistische Weltorganisation ist verpflichtet, den Zionismus, die zionistische Idee und die zionistische Unternehmung durch die israelische Erziehung als vitales und positives Element des gegenwärtigen jüdischen Lebens zu promoten, im Einklang mit den Prinzipien des Jerusalemer Programms. Dieses Manifest ist der Anerziehung der Zentralität von Israel und Jerusalem als Hauptstadt tief in das jüdische Bewusstsein gewidmet, die Rückkehr nach Zion (biblischer Name von Jerusalem/Anm.) zu ermutigen, die Herstellung einer beispielhaften Gesellschaft im jüdischen Staat, die Ausweitung der zionistischen Bildung, einschließlich Kurse in der hebräischen Sprache, Besiedelung des Landes und Bekämpfung des Antisemitismus.“

Zionisten wollten sich von Beginn an von Palästinensern abgrenzen

Das Jerusalemer Programm stellt die „offizielle Plattform der Zionistischen Weltorganisation und der zionistischen Bewegung“ dar. Und darin steht lediglich, dass man Israel als einen „jüdischen, zionistischen und demokratischen Staat“ haben möchte, dessen Gesellschaft sich durch „gegenseitigen Respekt für das facettenreiche jüdische Volk“ auszeichnet. Kein Wort von diesem Respekt gegenüber nicht-jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Israels, sprich in der Mehrheit Palästinenser. Und natürlich soll das Land als „Ausdruck des praktischen Zionismus“ besiedelt werden, ein Euphemismus für die Kolonisierung von palästinensischem Grund und Boden außerhalb der von der Bundesrepublik Deutschland – und von zahlreichen UN-Resolutionen bestätigten – anerkannten Grenzen von 1967.

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In der Rubrik „Ländliches Wachstum und Entwicklungsdivision“ verweist die WZO auf die Seite von Hityashvut, der von der israelischen Regierung anerkannten und als Bindeglied eingesetzten Organisation zu neuen jüdischen Einwanderern. Es geht in erster Linie um die Betreuung dieser Einwanderer und der Vermittlung von Wohnraum, einschließlich im Westjordanland und dem mehrheitlich von Palästinensern bewohnten Galiläa.

Von Anfang an wollten sich vor allem die aus Osteuropa kommenden Zionisten von den Palästinensern abheben und sie aus ihrem Blickfeld verbannen. „Die jüdischen Siedlerbehandeln die Araber mit Feindschaft und Brutalität, dringen unrechtmäßig ein, schlagen sie schamlos ohne hinreichenden Grund, und sind sogar stolz auf das, was sie tun.“ Was wie aus einem aktuellen Bericht einer Auseinandersetzung zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern klingt, stammt aus dem Jahr 1891. Ascher Hirsch Ginzberg, ein ukrainischer Jude und zionistischer Aktivist, der später in Palästina unter dem Namen Achad Ha’am (hebräisch für „einer aus dem Volk“) zu Berühmtheit gelangen sollte, schrieb diese Beobachtung in seinem Pamphlet „Wahrheit aus Palästina“ nieder. Er versuchte, auch eine Erklärung für dieses Verhalten zu finden:

Die Juden waren Sklaven im Land ihres Exils, und plötzlich fanden sie sich selbst mit unbegrenzter Freiheit wieder, wilder Freiheit die nur in einem Land wie der Türkei existiert. Diese plötzliche Veränderung hat in ihren Herzen eine Neigung zu repressiver Tyrannei verursacht, wie es immer passiert, wenn ein Sklave herrscht.“

Rassismus als Grundübel des Zionismus

In „Wahrheit aus Palästina“ warnte Achad Ha’am auch davor, die Palästinenser als „primitive Männer der Wüste“ zu betrachten, „wie wir es gewohnt sind zu denken“. Die Palästinenser sind keine „eselsartige Nation, die entweder nichts sieht oder versteht, was um sie herum passiert“. „Sollte die Zeit kommen, wenn sich das Leben unseres Volkes in Palästina im kleinerer oder größerer Masse auf die Einheimischen auferlegt, werden sie nicht einfach so auf die Seite treten“, schrieb Ha’am weiter.

Diese „Neigung zu repressiver Tyrannei“ fand auch der erste britische Hochkommissar für Palästina über zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung von „Wahrheit aus Palästina“ wieder. Herbert Samuel, selbst ein Jude und überzeugter Zionist, vertraute seinem Tagebuch an, dass er sich dafür schämen würde, wenn die Gründung eines jüdischen Staates mit der Ungerechtigkeit gegenüber den Palästinensern einhergehen würde.

Überhaupt war es so eine Sache mit den „Einheimischen“. Die britischen Besatzer benutzten diesen Begriff für Juden und Palästinenser gleichermaßen, worüber sich die Zionisten empörten. Der israelische Historiker Tom Segev grub Beschwerdebriefe der zionistischen Führung an die britischen Behörden aus, worin Chaim Weizmann verlangte, die Juden nicht als „einheimische Bevölkerung“ zu bezeichnen. Die Palästinenser wären die Einheimischen und man wolle nicht auf die gleiche Stufe mit ihnen gestellt werden.

Dass Israel heute ein großes Problem mit Rassismus hat und sogar den damals amtierenden Präsidenten Reuven Rivlin dazu veranlasst hat zu sagen, dass die „israelische Gesellschaft krank“ ist, hat ihre Wurzeln in Anfängen der jüdischen Kolonisierung Palästinas. Chaim Weizmann, ohne den es die Zionisten niemals geschafft hätten, einen Staat Israel mit europäischer und amerikanischer Unterstützung auszurufen, wurde deshalb zum ersten Präsidenten von Israel geehrt. Er war aber auch ein Rassist, der wie die Briten selbst die Menschen in Rassen einteilte. Als es um die Erhöhung der Einwanderungsquote nach Palästina ging, versuchte Weizmann, die britischen Behörden davon zu überzeugen, dass die „Qualität“ der Juden in Palästina viel höher war als die „Qualität der Einheimischen.“

Die „jüdische Rasse“ als „größtes menschlisches Kapital“

Obwohl die ersten Zionisten in der Mehrheit säkular waren und nur wenige von ihnen nach den jüdischen Gesetzen lebten, wurden sie trotzdem jüdisch erzogen und wuchsen mit jüdischen Gebeten auf. Und selbst wenn sie keine praktizierenden Juden waren, so wurde dennoch durch die Erziehung das inhärente Überlegenheitsgefühl praktisch mit in die Wiege gelegt. Das „auserwählte Volk“ war für Zionisten nicht nur eine biblische Beschreibung, sondern eine absolute Selbstwahrnehmung, ähnlich wie bei der amerikanischen Versionvon „außergewöhnlich und einzigartig“. Sie usurpierten die jüdischen Gebete wie Alejnu und Kidduschum aus religiösen Texten eine Rechtfertigung und Definition des zionistischen Nationalismus zu haben. Damit begründeten sie nicht nur ihr Überlegenheitsgefühl gegenüber Nichtjuden in Palästina, sondern auch die Erfüllung von Gottes Wunsch, der die Juden ja schließlich zum auserwählten Volk machte und ihnen das Land Palästina (oder Eretz Israel laut Bibel) versprach.

Dieses Überlegenheitsgefühl führte schließlich dazu, dass die einheimischen Palästinenser entmenschlicht wurden, man in ihnen keinen gleichwertigen Menschen mehr sah. Indem sie kollektiv als „Eindringlinge“, „Trojanisches Pferd“ und später als „Terroristen“ bezeichnet wurden, man ihnen selbst in Israel nicht die gleichen Rechte zugestand wie den jüdischen Bürgern des Staates, wurde ihnen das Leben so schwer wie nur möglich gemacht. Was das aber für Auswirkungen nicht nur bei den Palästinensern, sondern auch bei den Israelis selbst hatte, zeigte sich jüngst in einem Radiointerview mit dem Parlamentarier von Netanjahus Likud-Partei, Miki Zohar. Was er da von sich gab, gehört leider nicht nur irgendwo zum rechten Rand, was sich insbesondere beim Ausbleiben jeglicher Reaktion seitens des bekannten und angeblich linken Journalisten Dan Margalit äußerte, sondern ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Miki Zohar sprach über den Wirbel um die Korruptionsvorwürfe und den Prozess gegen Ministerpräsident Netanjahu und nahm ihn dabei in Schutz:

Die Öffentlichkeit im Staat Israel ist eine Öffentlichkeit, die zur jüdischen Rasse gehört, und die ganze jüdische Rasse ist das größte menschliche Kapital, und die klügste und die verständlichste, und manchmal auch die gebildetste. Und deshalb kann man uns, die Juden, nicht veräppeln.“

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Als der israelisch-palästinensische Abgeordnete Ahmad Tibi auf Twitter Bezug zu diesem Interview nahm und meinte, dass Miki Zohar damit eine Rassentheorie wie die Nazis betreibe, antwortete ihm dieser ebenfalls über Twitter:

Das ist einer der seltenen Momente, wo ich Ihnen zustimme.“

Mit solchen rassistischen Äußerungen ist Zohar beileibe nicht alleine in Israel. Sogar der Oberste Rabbiner der Sephardim (als Sephardim wurden ursprünglich spanische Juden bezeichnet, bevor sie 1492 vertrieben wurden), Jitzak Josef, verfing sich in rassistischen Theorien, als er ein schwarzes Kind von weißen Eltern als „Affen“ bezeichnete.

Demokratie als Widerspruch zum Zionismus

Und während Länder wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Australien und die Vereinigten Staaten von Amerika nicht müde werden zu betonen, dass „Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten“ wäre, widersprechen diesem Bild israelische Politiker offen, ohne dass das aber je Eingang in unsere Medien finden würde. Derselbe Miki Zohar meinte, dass Israel gar keine Demokratie ist, und wenn es das mal werden sollte, dass es dann zu einer „existenziellen Gefahr für Juden hier“ werden würde. Genau das gleiche schrieb schon die Zionistische Organisation in London unter der Leitung von Chaim Weizmann, ziemlich genau einhundert Jahre vor dem Parlamentarier Miki Zohar, als es um die Frage ging, ob es nicht doch besser wäre, Amerika anstelle von Großbritannien das Mandat über Palästina zu übergeben. Die Zionisten hatten Angst, dass die Demokratie nach amerikanischem Vorbild, wo es nach dem Mehrheitsprinzip funktioniert, in Palästina nicht zur Gründung „eines großen jüdischen Palästina“ kommen würde. In der Publikation hieß es damals:

Die numerische Mehrheit in Palästina ist heute arabisch, nicht jüdisch. Qualitativ ist es eine simple Tatsache, dass die Juden jetzt in Palästina überlegen sind, und unter richtigen Umständen werden sie auch in ein oder zwei Generationen quantitativ überlegen sein. Aber wenn jetzt die krude arithmetische Konzeption der Demokratie angewendet wird, oder irgendwann in einem frühen Stadium der künftigen Umstände in Palästina, wäre die Mehrheit die herrschen würde, arabisch, und dass würde die Aufgabe zur Gründung und Aufbau eines großen jüdischen Palästina unendlich schwieriger machen.“

Auch der renommierte israelische Historiker und Professor Ilan Pappe sagt, dass Israel nie wirklich eine richtige Demokratie war. Andere sagen, dass die Demokratie aufgrund der Besatzung und der systematischen Folter gegenüber den Palästinensern in Gefahr ist. Wieder andere meinen, dass das Rabbinat und/oder der stärker werdende jüdische Fundamentalismus eine Gefahr für die israelische Demokratie seien. Ob Israel ein demokratischer Staat ist oder nicht, darüber kann man gerne und leidenschaftlich diskutieren. Wo der Spaß aber aufhört, ist, wenn der Zionismus in Israel in Frage gestellt wird. „Der einzige Nationalstaat, der in Israel existieren kann, ist der zionistische Staat“, erklärteWohnungsbauminister Yoav Gallant bei einer Veranstaltung. Und genau darin liegt das Problem.

Antizionismus kann nicht antisemitisch sein

Der Zionismus ist das Problem„, schrieb Ben Ehrenreich in der Los Angeles Times. Nicht etwa die Juden oder Israel, sondern der Zionismus. Es ist diese Ideologie, die den Rassismus und Faschismus nach Israel gebracht hat und von Anfang an auf eine homogene Gesellschaft aus war. Es ist der Zionismus der junge Israelis lehrt, dass palästinensisches Leben weniger wert ist als ihr eigenes. Nur so können sie reinen Gewissens Kinder angreifen, die einfach nur in die Schule gehen wollen, oder tausende Palästinenser im Gazastreifen verletzen und töten (seit März 2018 14.605 Verletzte und 135 Todesopfer im Gazastreifen, fünf Verletzte und keine Todesopfer in Israel), und dabei noch lachend in die Kamera blicken. „Sie sind die Nachfahren und Erbauer einer Kultur des Hasses und der Rache“, wie es in einem Artikel der Zeitung Haaretz stand. Und vergessen wir nicht, was der israelische Präsident Rivlin selbst sagte.

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Genau aus diesem Grund kann Antizionismus nicht antisemitisch sein. Wer gegen eine Ideologie wie den Zionismus ist, wer gegen die Unterdrückung von einer großen Minderheit in Israel und Mehrheit im Westjordanland und Gazastreifen ist, wer für die Gleichberechtigung aller Bürger des Staates Israel ist und eine wahre Demokratie, frei von anderen Ideologien und gefährlichem Extremismus sehen möchte, ist ganz sicher kein Antisemit. Ganz im Gegenteil. Dass das Israel aber nicht so sieht, ist nur zu verständlich. Zionisten machen seit über einhundert Jahren klar, was sie wollen und wie sie sich ihren Staat vorstellen. Und dafür lassen sie ihre gleichgesinnten Häscher los, damit sie alles und jeden als Antisemiten verunglimpfen, der sich gegen den Zionismus ausspricht. Aber dass sich unsere Politiker, Medien und sogar die Justiz auf den Standpunkt stellen, dass Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen ist, zeigt, wie wenig bis gar nichts sie von dieser Ideologie kennen. Das wäre in etwa so, wie wenn man Antinazismus mit Antideutschtum gleichsetzen würde, was genauso absurd ist.

Deutsch-jüdische Größen wie Martin Buber und Heinrich Heine (Gedicht „An Edom„) warnten genau vor dieser Entwicklung, noch lange bevor es überhaupt diese ganze Entwicklung gegeben hat. Schon 1918 schrieb Buber, dass die „meisten führenden Zionisten vollkommen blindwütige Nationalisten“ sind, und wenn „wir es nicht schaffen, eine maßgebliche (zionistische) Opposition aufzubauen, die Seele der Bewegung vielleicht für immer korrumpiert wird.“

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