SPD: Respekt- Rente oder Renten- Bingo?

Spätestens seit der Riester- Rente ist es ratsam, bei innovativen SPD- Rentenideen das Kleingedruckte genau zu studieren, bevor man jubiliert. Dieses Vorgehen empfiehlt sich auch im Hinblick auf die ‘Respekt- Rente’ von Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil.

Auf den ersten Blick sieht das Rentenkonzept gut aus und es klingt auch gut: Eine kräftige, steuerfinanzierte Rentenaufbesserung für Menschen, die in ihrem Arbeitsleben stets oder über weite Strecken im Niedriglohnsektor tätig waren und denen nun Altersarmut droht. Wer mindestens 35 Jahre lang in der gesetzlichen Rentenversicherung Beiträge entrichtet, in dieser Zeit dennoch nur eine geringe Anzahl an Rentenpunkten erworben und daher auch nur eine kleine Rente in Höhe oder gar unterhalb des Sozialhilfesatzes zu erwarten hat, dessen Rente soll ohne Bedürftigkeitsprüfung um bis zur Hälfte oder sogar noch mehr aufgestockt werden. So könnte aus einem gesetzlichen Rentenanspruch von 600 Euro eine aufgestockte Heil- SPD- Rente von 900 Euro werden.

Prinzip der Leistungsgerechtigkeit ausgehebelt

Doch der Teufel steckt im Detail: Für die steuerfinanzierten Zuschläge wird die Beitragszeit zugrunde gelegt, also die Anzahl an Jahren, in denen Beiträge zur RV entrichtet wurden, es werden jedoch nicht die in diesen Jahren geleistete Arbeitszeit, nicht die vollbrachte Arbeitsleistung, nicht die Höhe der Beiträge und damit auch nicht die auf Basis der erworbenen Rentenpunkte verdienten Rentenansprüche berücksichtigt. Damit ist die Respekt- Rente eine höchst ungerechte Willkür- Rente, ein Renten- Bingo oder Renten- Lotto, welches das Leistungs- und Gerechtigkeitsprinzip in der Gesetzlichen Rentenversicherung aus den Angeln hebt!

Während also ein Arbeitnehmer, der in 40 Arbeitsjahren zur Hälfte Voll- und zur Hälfte Teilzeitarbeit geleistet hat und dabei  gesetzliche Rentenansprüche in Höhe von 600 Euro erworben hat, von der SPD eine Aufstockung der Rente um 300 Euro auf 900 Euro erhält, geht ein Arbeitnehmer, der in 30 Jahren Vollzeitarbeit bei identischem Stundenlohn, gleicher Arbeitsleistung und gleicher Lebensarbeitszeit die gleichen Rentenansprüche in Höhe von ebenfalls 600 Euro erworben hat, bei der Aufstockung leer aus.

Diese Benachteiligung könnte hunderttausende von Kleinunternehmern und Kleinselbständigen betreffen, die in den Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Ende der 1990-er und zu Beginn der 2000-er Jahre auf Empfehlung von SPD und Arbeitsämtern sogenannte Ich- AGs gründeten. In jener Zeit kam es im Osten aufgrund von Betriebsschließungen zu Massenentlassungen und auch im Westen verloren viele Menschen aufgrund von Outsourcing oder Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland ihren Job. Um rasch wieder aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen und nicht ins ALG 2 im Rahmen der Hartz IV- Reform abzurutschen, machten viele Arbeitslose sich daraufhin selbständig, z.B. als Subunternemer im Transportwesen, als Büro-, Hausmeister- oder Reinigungsdienstleister, als Webdesigner oder als Außendienstler auf Provisionsbasis, und zahlten hinfort nicht mehr in die GRV ein.

‘Respekt- Rente’ bei ‘Hart, aber Fair’, 11.02.2019

Respekt- Rente oder Klientel- Rente?

Bislang galt in der gesetzlichen Rentenversicherung analog zur Forderung ‘gleicher Lohn für gleiche Arbeit’ das Prinzip ‘gleicher Beitrag – gleicher Rentenanspruch’. Dieses Prinzip will die SPD nun offenbar nach der Devise ‘alle sind gleich, aber manche sind gleicher’ aushebeln.

So könnte es gemäß Heil- Rente künftig passieren, dass jemand, der in 30 Jahren beitragspflichtiger Vollzeitarbeit das 1,5- fache der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat wie die Arztgattin, die 40 Jahre lang halbtags als Sprechstundenhilfe ihres Mannes tätig war, am Ende seines Arbeitslebens von der SPD u.U. mit einer geringeren Altersrente als die Arztgattin nach Hause geschickt wird,  obwohl er bei gleichem Stundenlohn anderthalb mal so viele Arbeitsstunden abgeleistet und Beiträge einbezahlt hat hat!

Ob diese Ungerechtigkeit gewollt ist –  vielleicht weil ein spezielles Klientel der Sozialdemokraten gezielt per Umverteilung auf dem Rücken von Niedriglöhnern beglückt werden soll, etwa Frauen, die in Teilzeit arbeiten – oder ob es sich hier tatsächlich nur um einen unbeabsichtigten Konstruktionsfehler im Konzept handelt, darüber lässt sich trefflich spekulieren. In jedem Falle ist es das exakte Gegenteil von Leistungsgerechtigkeit und ein weiteres Beispiel dafür, wie willkürliche und unüberlegte Umverteilung nicht zu mehr, sondern zu weniger Gerechtigkeit führt. Ein solches Konzept mag zu einem Feudalsystem passen, aber nicht zu einem sozialen Rechtsstaat.

Sozial gerechte Solidarrente!

Wenn es nur ein Versehen war, so kann man das aber problemlos korrigieren. Denn es gibt auch eine Möglichkeit, geringe Renten so aufzustocken, dass das Leistungs- und Gerechtigkeitsprinzip nicht ausgehebelt, sondern sogar in idealer Weise mit dem Solidaritätsprinzip verknüpft wird. Dies könnte dadurch bewerkstelligt werden, dass die ersten im Laufe eines Arbeitslebens erworbenen Rentenpunkte mit einem steuerfinanzierten Zuschlag auf den Rentenanspruch versehen werden, während auf die nachfolgenden Rentenpunkte ein Abschlag erhoben wird. Es handelte sich dabei also um eine generelle Anhebung des unteren Rentenniveaus und nicht um eine Anhebung nur für bestimmte Zielgruppen.

Beispiele: Ein Rentenpunkt hat derzeit einen Rentenwert von ca. 30 Eur / Monat. Ein gesetzlicher Rentenanspruch von 600 Euro beruht demnach auf rund 20 im Arbeitsleben erworbenen Rentenpunkten. Gewährt der Staat nun auf die ersten 10 Rentenpunkte einen Zuschlag von 100%, so würden sich der Rentenanspruch insgesamt um 50% auf einen Anspruch von total 900 Euro erhöhen. Das gleiche Ergebnis würde erzielt werden, wenn auf die ersten 20 Rentenpunkte ein Zuschlag von jeweils 50%  gewährt würde. Die dritte und vermutlich gerechteste Möglichkeit bestünde darin, auf den ersten Rentenpunkt einen Zuschlag von 100% zu gewähren und auf die nächsten 20 Rentenpunkte einen stufenweise um jeweils 5% verringerten Zuschlag. Ab dem 21. Rentenpunkt (in genaueren mathematischen Modellen bereits früher) würde dann ein Abschlag vom rechnerischen Rentenwert fällig werden, um bei mittleren Renten sukzessive wieder das ‘normale’ Rentenniveau’ herzustellen. Das Modell kann mathematisch so gezielt gesteuert und gestaltet werden, dass es den gleichen Steuerzuschuss benötigt, den Heil in seinem Konzept vorsieht. Hohe Renten könnten dadurch allerdings u.U. etwas niedriger ausfallen.

Diese drei angeführten Lösungen böten eine klare, gerechte und auch völlig problemlos in die Praxis umzusetzende Regelung nach dem Gerechtigkeits- ebenso wie nach dem Solidarprinzip, die das Problem der Altersarmut aufgrund von Niedriglöhnen mindert, ohne dabei eine spezielle Klientel systemisch zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

Link:
Riester- Rente (Volker Pispers, YouTube)
Renten- Lücke (Volker Pispers, YouTube)

Titelbild:
www.elbpresse.de [CC BY-SA 4.0], von Wikimedia Commons



Weiterlesen: http://schelmenstreich.de/spd-respekt-rente-oder-renten-bingo/

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